Samstag, 7. April 2012

"Frauen sind eher bereit, ihr Verhalten anzupassen"


Ist der männliche Fußabdruck in der Klimabilanz größer? Sind sich Frauen des ökologischen Wandels stärker bewusst? Global Ideas hat mit der Soziologin Ulrike Röhr über den 'Frauenfaktor' im Klimawandel gesprochen.
Ulrike Röhr ist die Vorsitzende von Genanet, einem Projekt des gemeinnützigen Berliner Vereins Life, der sich für die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft einsetzt. Genanet fordert darüber hinaus eine Gleichstellung der Geschlechter in Klimafragen, nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in den Industrienationen. Global Ideas sprach mit Ulrike Röhr darüber, welche wichtige Rolle Frauen im Kampf gegen den Klimawandel spielen können und welchen Einfluss sie bei Klimaverhandlungen haben sollten.
Global Ideas: Was unterscheidet die Klimadiskussion in den Industrienationen von der in den Entwicklungsländern?
Eine Frau isst eine Erdbeere (Foto: ddp)
Wenn Frauen essen, verursachen sie weniger CO2 als Männer
Ulrike Röhr: Das Hauptthema in den Ländern des Südens ist ja die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels aus der Genderperspektive. In den Industrieländern ist das Thema: Wie können wir den Klimawandel verhindern. Da sind wir sehr schnell bei unserem Konsumverhalten und Lebensstil. Eins ist klar – wir dürfen nicht mehr so viel Energie verbrauchen wie bisher. Die Frage ist nun, wie wir das verändern, welche Lösungsvorschläge gibt es, welche Maßnahmen präferieren Frauen und Männer dabei. Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede in den Emissionen? Hier kommt die Genderperspektive in die Diskussion.
Gibt es also Unterschiede darin, wie Männer und Frauen den Klimawandel wahrnehmen und darauf reagieren?
Ja, Frauen und Männer schätzen Risiken unterschiedlich ein, das ist auch beim Klimawandel der Fall. Studien haben gezeigt, dass mehr Frauen als Männer die globale Erderwärmung für gefährlich und unvermeidbar halten. Männer glauben eher an technische Lösungen – Elektroautos zum Beispiel, oder die Möglichkeit, CO2 zu speichern beziehungsweise Sonnenlicht durch Nanopartikel in der Atmosphäre bereits zu blockieren. Frauen wiederum vertrauen nicht so darauf, dass Wissenschaft und Forschung die Umweltprobleme in Griff bekommen. Sie sind eher bereit, ihr klimaschädliches Verhalten zu ändern. Frauen haben die Auswirkungen auf zukünftige Generationen im Blick, sie wägen Risiken ab. Ein Beispiel ist der Widerstand gegen die Atomenenergie. Frauen sind da wesentlich forcierender, weil sie an ihre Kinder denken.
Untersuchungen in Europa legen nahe, dass der sogenannte Carbon Foodprint, also die CO2-Spur, die Männer hinterlassen, wesentlich größer ist, als bei Frauen. Ist das so?
Ulrike Röhr, Direktorin von Genanet in Berlin, Gender und Klima Expertin (Foto: Ulrike Röhr)
Genanet-Direktorin Ulrike Röhr
Es gibt Untersuchungen aus Schweden, die den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß untersuchen. Hier wurde der unterschiedliche Verbrauch von Männern und Frauen in Ein-Personen-Haushalten untersucht, weil man nur hierbei dezidiert zuweisen kann. Das Ergebnis war, dass der Energieverbrauch von Männern ungefähr ein Viertel höher ist als der von Frauen. Besonders spannend ist, dass dieser Unterschied in allen Einkommens- und Altersgruppen bestehen bleibt. Die Geschlechterunterschiede hängen vor allem mit der Nutzung und Größe der Autos der Personen zusammen.
Ein zweiter Bereich, in dem Gender-Unterschiede eine Rolle spielen, ist das Essen. Männer und Frauen ernähren sich anders. Wir wissen aus deutschen Studien, dass Männer wesentlich mehr Fleisch essen als Frauen. Und Fleisch ist ein Nahrungsmittel, das ganz maßgeblich zum Energieverbrauch und CO2-Ausstoß beiträgt.
Wie lassen sich die Geschlechter-Unterschiede erklären?
Mann im Auto (Foto:ddp)
Nicht ohne mein Auto! Der CO2-Fußabdruck von Männern ist größer als der von Frauen - besonders im Transportsektor
Das hängt dann stark mit den verschiedenen sozialen Rollen von Männern und Frauen und ihren Geschlechter-Identitäten zusammen. Und die sind auch fest in unseren Köpfen verankert. Ein Mann braucht in unserer Vorstellungskraft zum Beispiel ein großes Auto, um zu zeigen, dass er stark und reich ist. Oder: Ein Mann braucht, um stark zu werden, Fleisch. Frauen stellen viel eher die Frage, ob sie ein Auto überhaupt brauchen. Oder sie achten bei der Ernährung auf Körperbilder und Gesundheit.
Es ist aber auch wichtig auf die Gründe zu achten, warum Frauen weniger Energie verbrauchen oder sich gesünder ernähren. Ein wichtiger Faktor ist das Einkommen. Frauen verdienen nun mal weniger als Männer. Geringere Einkommen gehen häufig mit geringerem Konsum einher. Tendenziell besteht ein Zusammenhang zwischen Einkommen, Ressourcenverbrauch und CO2-Ausstoß. Geringere Einkommen sorgen auch dafür, dass Frauen eher bereit sind, ihr Verhalten zu ändern. Wenn man nicht das Geld hat, sich die neuesten energiesparenden Geräte zu kaufen oder das Haus entsprechend zu dämmen, muss man natürlich das Verhalten stärker ändern.
Wie viel haben Frauen in der Klimadiskussion der westlichen Welt zu sagen?
Frau vor Mikrofon (Quelle: dapd)
Christiana Figueres leitet das Klimasekretariat der UN
Energie und Transport tragen maßgeblich zur Emission bei. Und das sind nach wie vor von Männern dominierte Bereiche, weil sie einen technischen Fokus haben. Also sind hier die zugrunde liegenden Maßstäbe auch eher männlich. Beim Verkehr zum Beispiel finden Männer eher Elektro-Mobilität toll, ganz egal, woher der Strom kommt. Es stellt sich dann aber nicht die Frage nach der Größe der Autos oder deren hoher Geschwindigkeit, denn beides steht allgemein für 'Freiheit'. Hier müssen die verschiedenen Bedürfnisse, Chancen und Ziele von Frauen als auch Männern berücksichtigt werden.
Heißt das, dass Frauen viel mehr in den Entscheidungsprozess in Klimafragen eingebunden werden müssen?
Natürlich will ich, dass Frauen genauso an Entscheidungen beteiligt sind wie Männer. Aber wenn Frauen an Entscheidungen beteiligt sind, dann heißt das nicht zwangsläufig, dass sich das in einer sensibleren Politik niederschlägt. Viel wichtiger wäre es, dass die Geschlechteraspekte in der Klimapolitik, aber auch andere soziale Aspekte eine größere Bedeutung bekommen. Gender muss ein Teil der Klimaschutz-Verhandlungen auf allen Ebenen werden – lokal, national und international. Dazu muss sich aber auch die Politik ändern und erkennen, dass Klimapolitik effizienter ist, wenn sie gendergerechter gemacht wird. Sie wird besser unterstützt, sie wird besser angenommen, mehr Menschen sind bereit, etwas zu tun. Ich denke, da wird im Moment eine Chance vertan.
Autorin: Sonia Phalnikar
Redaktion: Klaus Esterluss

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