Samstag, 7. April 2012

Eulenflügel als Vorbild für leisere Flugzeuge


Von Eulen können Forscher einiges lernen. Zum Beispiel, warum sie so lautlos durch die Nacht segeln. Nach dem Vorbild ihrer Flügel könnten auch leisere Turbinen oder Klimaanlagen gebaut werden.
Bionik ist der Fachbegriff für eine Forschungsrichtung, bei der sich Wissenschaftler etwas von der Natur abschauen. Ein Tier, das besonders viel zu bieten hat, ist die Eule. An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen (RWTH) fasziniert die Forscher besonders, dass die Raubvögel lautlos dahingleiten, wenn sie sich auf Mäusejagd begeben.
Der Biologe Thomas Bachmann in seinem Büro an der Universität Darmstadt. Bachmann erforscht die  aerodynamischen Eigenschaften von Eulenflügeln um daraus Ableitungen für Ingenieure zu treffen; Copyright: DW/F. Schmidt
Bachmann enthüllt das Geheimnis des lautlosen Fluges
"Die Eulen jagen in der Nacht, und da sind visuelle Informationen sehr begrenzt", erklärt der Biologe Thomas Bachmann. "Deshalb haben sich Eulen darauf spezialisiert, die Beute mit dem Gehör zu detektieren, und das funktioniert nur, wenn sie leise fliegen."
Bachmann erforscht die Aerodynamik des Eulenflugs. Dabei fiel ihm auf, dass Schleiereulen fast genauso viel wiegen wie Tauben. Ihre Flügel aber sind um einiges größer und stärker gewölbt. "Das ermöglicht dem Vogel, sehr viel Auftrieb bei niedrigen Geschwindigkeiten zu erzeugen", so der Forscher.
Tauben müssten dafür sehr stark mit den Flügeln schlagen, deshalb sind fliegende Tauben auch von weitem gut zu hören. Bei Eulen gibt es hingegen kaum Reibung zwischen den Federn und dadurch auch weniger Geräusche.
Haken an der Frontseite eines Schleiereulenfflügels. Diese haken erzeugen winzige Mikroturbulenzen und bewirken dadurch, dass die Luftströmung an der Oberseite des Flügels haften bleibt. Ein Strömungsabriss wird dadurch vermieden. Exponat aus der Sammlung des Biologen Thomas Bachmann, der zur Bionik und Aerodynamik des Schleiereulenfluges forscht (Copyright: Thomas Bachmann)
Haken an der Flügelvorderseite verursachen Mikroturbulenzen
Haifischeffekt durch weichen Flaum
Aber auch bei der Konstruktion der einzelnen Eulenfedern gibt es Unterschiede: An der Vorderkante der Flügel liegt ein feiner Hakenkamm und die Oberfläche der Federn ist samtig-weich. Das führt dazu, dass sich winzige Mikroturbulenzen an der Oberfläche der Flügel bilden.
Fransen am Ende einer Schleiereulenfeder. Diese Fransen sorgen dafür, dass die Luftströmung von der Ober- und Unterseite des Flügels sanfter aufeinanderschlägt. Sie unterbinden zudem Flattergeräusche des Flügels im Flug. Exponat aus der Sammlung des Biologen Thomas Bachmann, der zur Bionik und Aerodynamik des Schleiereulenfluges forscht; Copyright: Thomas Bachmann
Fransen am Ende der Feder sorgen für eine sanfte Strömung
Ähnlich, wie bei der rauen Haut des Haifischs, die bewirkt, dass er sich reibungsarm durchs Wasser bewegt, verbessern die Mikroturbulenzen an der Oberfläche des Eulenflügels die Haftung des Luftstroms.
Dann gibt es noch Fransen am Ende der Federn. Diese haben zwei Funktionen: Einerseits verringern sie Geräusche, weil die verschiedenen Federn glatter aufeinanderliegen. Andererseits treffen die Luftströmungen der Flügelober- und Unterseiten hinter dem Flügel an den Fransen sanfter aufeinander.
Störche als Vorbild für Jets
Die Eigenschaften des Eulenflügels lassen sich zwar nicht ganz so einfach auf Verkehrsflugzeuge übertragen - unter anderem weil Eulen während der Jagd nur etwa zehn bis fünfzehn Kilometer pro Stunde schnell fliegen - aber die physikalischen Prinzipien ließen sich durchaus anwenden. Zum Beispiel bei der Entwicklung besonders leiser Lüfter, Windräder oder Turbinen.
Die Flügel anderer Vogelarten haben den Flugzeugbau dagegen schon stark beeinflusst. So ist es bei Verkehrsflugzeugen gelungen, durch den Anbau sogenannter Winglets, Wirbelschleppen zu verringern - strudelartige Verwirbelungen, die noch Kilometer hinter einem Düsenjet schwere Turbulenzen verursachen und den Flieger ausbremsen.
Diesen Knick in den Tragflächen haben sich Ingenieure von Geiern, Adlern und Störchen abgeguckt. "Bei diesen Vögeln sieht man, dass die Federn sich einzeln aufstellen. Dadurch lösen sich an jeder Federspitze kleine Randwirbel ab und das reduziert den Widerstand des Flügels", erläutert Thomas Bachmann.
Beuteortung durch asymmetrisches Gehör
Eulen können aber durchaus mehr als geräuscharm fliegen, versichert der Biologe. Um sich über das Gehör zu orientier, nehmen sie Geräusche über ihren Gesichtsschleier auf. Mit seinen asymmetrischen Ohren - eines ist nach oben, das andere nach unten gerichtet - erkennt der Vogel, aus welcher Richtung der Schall kommt.
Die Abbildung des Eulenschädels in einem Computertomographen zeigt die asymmetrische Ausrichtung des Gehörsystems. Das Bild wurde von Thomas bachmann, Biologe an der Universität Darmstadt im Rahmen seiner Studien zur Bionik der Eulen aufgenommen (Copyright: Thomas Bachmann)
Die Ohrhöhlen des Eulenschädels weisen in verschiedene Richtungen
Nach diesem Prinzip könnte auch ein System für Videokonferenzen funktionieren. Eine Kamera fokussiert immer auf die Person, die gerade spricht. "Spricht jemand an einer anderen Stelle, dreht sich die Kamera automatisch in seine Richtung", sagt der Aachener Biologe Hermann Wagner, der sich mit dem Sinnessystem der Schleiereulen befasst.
Und selbst wenn viele Konferenzteilnehmer durcheinanderreden, könnte ein Eulen-inspiriertes Steuerungssystem den Überblick behalten. "Quellentrennung ist nicht einfach, aber auch das kann die Schleiereule ziemlich gut. Sie hat Möglichkeiten ihre Aufmerksamkeit zu lenken", betont Wagner und bezeichnet das als Cocktail-Party-Effekt: "Wenn viele Leute auf einer Cocktail Party durcheinander reden, können wir uns trotzdem auf einen Sprecher konzentrieren, so etwas kann die Schleiereule auch."

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