Samstag, 7. April 2012

Erlebte Passion im Ostergarten


Eine begehbare Ausstellung, die die letzten Lebensstationen Jesu darstellt: Palmsonntag, Karfreitag, Ostern sollten die Besucher mit möglichst vielen Sinnen erleben. Der Ostergarten in Hermesdorf machte es möglich.
Da sitzen sie im Kreis, rund ein Dutzend Männer und Frauen zwischen 20 und 55 Jahren. Eine Zeitreise haben sie gemacht – 2000 Jahre zurück, nach Jerusalem. Für eine Stunde waren sie mittendrin in der christlichen Passionsgeschichte. Hautnah haben sie den Verrat des Judas, den Tod Jesu, das leere Grab, aber auch die Freude seiner Auferstehung erlebt.
Die Besucher gehören zu den rund 1500 Menschen, die im kleinen Ort Hermesdorf im Bergischen Land durch die Passionsgeschichte gewandert sind. "Ostergarten" nennt sich diese besondere Ausstellung, die mittlerweile an mindestens 35 Orten in Deutschland von den unterschiedlichsten Kirchen, Gemeinden und Gruppen in den Wochen vor Ostern angeboten wird. "Von der Vorschulklasse bis zu Seniorenkreisen war jedes Alter vertreten", erzählt Initiatorin Petra Döhl-Becher begeistert. Es freut sie besonders, dass viele Besucher nicht zum klassisch christlichen Klientel gehören. Sogar Moslems seien im Ostergarten gewesen. Gemeinsam mit 25 anderen Mitgliedern des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) hat sie das evangelische Gemeindehaus für drei Wochen in das Jerusalem der Zeit Jesu verwandelt.
Ein Rundgang, der es in sich hat
Ostergarten Hermesdorf: Station Jerusalem Totale (Wandgemälde mit der Szenerie Jerusalems, davor kleine Modelle von Häusern und Palmen. Große Plakate zeigen jubelnde Menschen. Kinder der örtlichen Grundschule gestalteten diesen Raum)   Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012.  Foto: Petra Döhl-Becher
Jerusalem aus Sicht der Grundschüler
Raum für Raum erleben die Besucher das Geschehen vom Passahfest bis zu Jesu Auferstehung mit. Seine Ankunft in der Stadt, begeistert jubelnde Menschen, der Trubel durch die Pilger, die das Passahfest feiern wollen – all das wird durch große, gemalte Wandbilder illustriert. Ein Ensemble von Modellhäusern, dazu mannshohe Palmen, gebaut von der örtlichen Grundschule. Toneinspielungen erzeugen die Atmosphäre quirligen antiken Stadtlebens.
Ostergarten Hermesdorf: Station Pessach Total (ein heller Raum, jenem Raum nachempfunden, in dem Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmal feierte. Hier bekommen die Besucher Brot und Traubensaft gereicht - von einem als König verkleideten Mitarbeiter)       Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012.  Foto: Petra Döhl-Becher
Hier (be)dient der Chef
Weiter geht es in einen gediegenen Festsaal voller Musik. Er steht für jenen Raum, in dem Jesus einst mit seinen Jüngern das Passahmahl einnahm. Ein König, der einzige Statist des gesamten Rundgangs, teilt Brot und Traubensaft an die Besucher aus. Raum und Handlung stimmen die Gruppe besinnlich, lassen zur Ruhe kommen. Steht das jüdische Passahfest für den Auszug der Israeliten aus Ägypten, so wandelt es sich hier zu einer Abschieds- und Erinnerungsfeier – wird zum Abendmahl.
Schaurig und schön
Ostergarten Hermesdorf: Station Gethsemane (dunkle Atmosphäre, vertrocknete Sträucher, Laub, Steine, die Waffen römische Besatzungssoldaten . Eine mit Drahtgeflecht umzäunte Kerze symbolisiert Jesus vor der Gefangennahme)       Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012.  Foto: Petra Döhl-Becher
Ein Verrat und die Folgen
Von nun an werden die Szenen immer dunkler, kälter, härter. Eingespielte Hörszenen starten das "Kino im Kopf", lassen so die Gemütslage Jesu erahnen. Verlassenheit in Gethsemane, als er Gott nach dem Warum seines bevorstehenden Leidens fragt. Ohnmacht, als er verraten und gefangen genommen wird. Trockenes Laub und dürre Büsche, ein kahler Fels, spärliches Licht. Die Waffen römischer Soldaten, Ketten, rohe Gewalt. Eine Kerze hinter Gittern steht für den Gefangenen.
Dann der Schauprozess und das Todesurteil. Der prunkvolle Thron des Pontius Pilatus genügt als Symbol scheinbar uneingeschränkter menschlicher Macht. In der Hörszene erzählt der Hauptmann, der die Hinrichtung leitete, was er dabei erlebt und empfunden hat und wie er plötzlich spürt: "Wir haben wirklich den Sohn Gottes gekreuzigt."
Vom Tod ins Leben
Ostergarten Hermesdorf: Station Kreuzigung Detail (unter dem Kreuz liegen die Werkzeuge der Henker. Der Stoff symbolisiert das Gewand Jesu, um das die Soldaten würfeln)     Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012.  Foto: Petra Döhl-Becher
Am Fuß des Kreuzes
Die Besucher können Steine, die sie bei der Begrüßung bekommen haben, vor dem Kreuz ablegen. Sie stehen für die eigenen Sorgen, Fragen, das selbst erlittene Leid. Ein symbolisches Abgeben an Jesus. Hohe Karfreitags-Theologie ganz praktisch und begreifbar.
Nacheinander, aber mit Abstand, durchschreitet jeder Einzelne das leere Grab Jesu, symbolisiert durch einen niedrigen schwarzen Tunnel. Der öffnet sich jedoch schließlich zu einem hellen Raum. Im Christentum endet das irdische Leben nicht mit dem Tod. Die Hoffnung auf die Auferstehung verdeutlicht der Ostergarten mit Licht, Farben, Vogelzwitschern und Musik.
Ostergarten Hermesdorf: Station Auferstehung Totale (sprudelnde Brunnen, "schwebende" Blumen, wechselnde Lichteffekte und besondere Musik symbolisieren Ewiges Leben)      Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012.  Foto: Petra Döhl-Becher
Auferstehung
Dutzende im Raum schwebende Blumen in kleinen Vasen, bunte Schmetterlinge, plätschernde Brunnen stehen für das Paradies, den perfekten Ort voller Harmonie. Es ist Ostern!
Sinneserweiterung für Kopfmenschen
Mit dem Ostergarten wollen die Mitarbeiter des CVJM vor allem Menschen erreichen, die kaum mehr die christlichen Wurzeln ihrer eigenen Kultur kennen. Andere bekämen die Chance, biblische Inhalte neu zu begreifen, und Christen könnten im Ostergarten ihren Glauben vertiefen, erzählt Petra Döhl-Becher.
Ostergarten Hermesdorf: Petra Döhl-Becher hatte die Idee im Jahr 2011 erstmal in Hermesdorf einen Ostergarten aufzubauen. Veranstalter sind der örtliche Missionsverein (Landeskirchliche Gemeinschaft) und der CVJM (Christlicher Verein junger Menschen). Rund 25 ehrenamtliche Mitarbeiter haben die begehbare Kulisse geschaffen. 1350 Besucher haben die erste Ausstellung innerhalb von zweieinhalb Wochen gesehen. 2012 folgte die Fortsetzung)       Hermesdorf. Gemeinde Reichshof. März 2012.  Foto: Petra Döhl-Becher
Petra Döhl-Becher
Der Ostergarten setze der „kopflastigen Informationsflut unserer Tage“ ein Erlebnis für viele Sinne entgegen. "Man hört, schmeckt, fühlt und riecht", betont die 47-jährige Verwaltungsangestellte.
"Was bleibt, sind dankbare Menschen", sagt die Vorsitzende des CVJM, Christine Adolphs, nachdem sich auch die letzte Besuchergruppe an diesem Tag aufgelöst hat. "Manchmal kommt es vor, dass Tage nach einer Führung noch Menschen anrufen und sagen: 'Dieser Ostergarten lässt mich nicht los'", erzählt sie. Eine der schönsten Rückmeldungen sei von einem jungen Muslim gekommen, so Christine Adolphs. "Er meinte, noch nie habe ihm jemand so klar und anschaulich erklärt, an was die Christen glauben."

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