Mittwoch, 11. April 2012

Sarkozys Merkel-loser Wahlkampf


Frankreich steht vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen. Nicolas Sarkozy wollte sich beim Wahlkampf eigentlich von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel helfen lassen, stattdessen dominieren nationale Töne.
Der gemeinsame Wahlkampf hatte eigentlich schon begonnen: In einem Fernsehinterview mit Nicolas Sarkozy Anfang Februar hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel dem französischen Präsidenten Unterstützung im Kampf ums Präsidentenamt zugesagt. Das Ziel: Angela Merkel sollte den Franzosen das so genannte  "Deutschland-Modell" nahebringen und zeigen, wie man mit schwierigen Sozialreformen die Krise gut bewältigen könne, beschreibt Claire Demesmay, bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin zuständig für Frankreich und deutsch-französische Beziehungen.

Selbst dass die deutschen Sozialreformen vom sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder vorangetrieben worden waren, wollte Sarkozy für seinen Wahlkampf nutzen -  als Attacke gegen Frankreichs Linke: "Er wollte zeigen, dass es in Europa eine moderne, mutige Linke gibt, die solche Reformen umsetzen kann. In Frankreich dagegen gibt es nur diese altmodischen Sozialisten mit Hollande an der Spitze", erklärt Claire Demesmay.

"Deutschland-Modell" nicht gewünscht
Dr. Claire Demesmay (foto: DAGP)
"Ihre Souveränität ist den Franzosen sehr wichtig", sagt Claire Demesmay von der DGAP
Doch Sarkozys Strategie ging nicht auf. Obwohl die Franzosen erkennen, dass ihr östlicher Nachbar als Folge seiner Sozialreformen offenbar besser durch die Schuldenkrise kommt als alle anderen europäischen Staaten, wollen sie sich das "Deutschland-Modell" nicht aufzwingen lassen, sagt Claire Demesmay: "Vor allem wollen sie kein Modell von oben oder von außen. Sie wollen ihre Souveränität behalten." Auch Etienne François vom Frankreich-Zentrum der Freien Universität Berlin glaubt, dass sich Merkels Hilfe im Nachhinein nicht als Trumpf herausgestellt habe und Sarkozy eher Stimmen kosten werde.

Denn im Wahlkampf zählen innenpolitische Belange mehr, das hat auch Sarkozy nun erkannt. Als der französische Präsident mit einer Suspendierung des Schengen-Abkommens drohte, war das an die euroskeptischen Wähler am rechten Rand gerichtet. Prompt schossen seine Umfragewerte in die Höhe. Einen - wenn auch in dieser Form von niemandem gewünschten - Wendepunkt brachten wohl auch die furchtbaren Attentate von Toulouse, bei denen ein radikalisierter junger  Muslim sieben Menschen, darunter drei Schüler und einen Lehrer einer jüdischen Schule getötet hatte. Bei der Fahndung nach dem Täter und bei den Trauerfeierlichkeiten hatte Sarkozy zum einen Gelegenheit, sich als väterliches, schützendes Staatsoberhaupt zu gerieren. Zum anderen war es natürlich sein Lieblingsthema, die innere Sicherheit, die auf diese Weise zum Wahlkampfthema wurde.

In der ersten der beiden Wahlrunden, die das französische Wahlsystem vorsieht, müssten die beiden großen Kandidaten erst einmal die jeweiligen Ränder bedienen, erklärt Stefan Seidendorf, der am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg für die Europaabteilung verantwortlich ist.

Fischen am rechten Rand
"Um genügend Stimmen zu erreichen, muss Sarkozy im rechten Lager des Front National fischen," bestätigt Claire Demesmay. Aber auch hier gehe es wieder um das Thema Souveränität und Selbststimmung Frankreichs, glaubt sie: In der europäischen Schuldenkrise habe er sich als großer Europäer gezeigt. Er habe aber – wie er es bei einem Wahlkampfauftritt in Villepinte formulierte - auch die Europa-Skeptiker verstanden, so Demesmay: "Er will zeigen, dass er zwar für die europäische Integration ist, aber dass diese Integration im Sinne und im Interesse Frankreichs sein muss." Diesen Spagat muss er auch deshalb leisten, weil er auch die europa-freundlich gesinnten Wähler des Zentrums von François Bayrou gewinnen muss – spätestens in der Stichwahl.

"In dieser zweiten Wahlrunde könnten wieder die staatstragenden Töne zu hören sein," glaubt Stefan Seidendorf vom Ludwigsburger Deutsch-Französischem Institut. In der Stichwahl gegen Hollande könnte Sarkozy versuchen, mit seiner Regierungsverantwortung und seiner europa- und außenpolitischen Erfahrung zu punkten, glaubt Seidendorf. Angela Merkel könnte da von großem Nutzen sein.

Merkozy und Schmitterand
Dr. Stefan Seidendorf (Foto:DFI)
"Die europäische Dimension ist vor der Stichwahl wichtiger", glaubt Stefan Seidendorf vom DFI
Denn die Unterstützung von außen hat Tradition. Sogar Namenskombinationen wie Merkozy sind nicht neu: Als François Mitterand beispielweise Helmut Schmidt in seiner Politik zum Nato-Doppelbeschluss unterstützte, bezeichnete die Presse das Politiker-Duo als "Schmitterand".

Und so sind die Bande zwischen Europas Regierungschefs gleicher politischer Couleur fest geknüpft: Polens Ministerpräsident Donald Tusk hatte leider keine Zeit für François Hollande, als dieser kürzlich Polen besuchte, beschreibt der Historiker Etienne François. Und auch der spanische  Ministerpräsident Mariano  Rajoy, Italiens Ministerpräsident Mario Monti oder David Cameron aus Großbritannien halten sich sehr zurück. Ebenso stark sind die Bande zwischen den sozialdemokratischen respektive sozialistischen Politikern Europas: So sicherte der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel François Hollande seine Unterstützung im Wahlkampf zu. Da Gabriel in Frankreich aber nahezu unbekannt ist, wird das wohl ohne Folgen bleiben.
Helmut Schmidt (Foto: AP)
Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt bekam früher Unterstützung von François Mitterand
Bislang sehen die Umfragen Hollande als Sieger der Präsidentschaftswahl. Zurzeit holt Amtsinhaber Nicolas Sarkozy zwar deutlich auf, so dass die Kandidaten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Doch spätestens in der Stichwahl am 6. Mai, sagen die Meinungsforscher, wird der Herausforderer Hollande siegen.

Und dann werden die Staats- und Regierungschefs Europas selbstverständlich mit dem Wahlsieger  zusammenarbeiten müssen – ganz gleich welcher politischen Couleur er ist, sagt die Frankreich-Expertin Claire Demesmay: "Zum Glück braucht man in den internationalen Beziehungen kein freundschaftliches Verhältnis für eine gute Zusammenarbeit."

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