"Hinter der Tür" heißt der neue Film von Oscar-Preisträger István Szabó: Arthouse-Film vom Allerfeinsten. Darin prallen zwei Welten aufeinander – in Gestalt von zwei starken Frauen.
Die deutsch-ungarische Koproduktion erzählt die Geschichte von zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die stur-stolz-kratzbürstige Emerenc, dargestellt von Helen Mirren, und die hochgebildet-feinsinnig-kultivierte Magda, gespielt von Martina Gedeck. "Es gibt zwei Arten von Menschen: diejenigen, die fegen - und die, die fegen lassen. Jesus hat gefegt", sagt Emerenc, die Haushaltshilfe mit der Würde einer Königin, mit der ihr eigenen verbalen Treffsicherheit.
Damit Magda mehr Zeit fürs Schreiben hat - weil sie wahrhaftig keine Turbohausfrau ist und nachweislich nicht kochen kann - bittet sie Emerenc, ihr im Haushalt zu helfen. Doch sie belässt es nicht beim Fegen, sondern beansprucht ihren Platz im Leben der Jüngeren. Es entspinnt sich ein subtiler Machtkampf um Nähe und Distanz zwischen den beiden Frauen. Dabei gibt es sichtbare und unsichtbare Grenzen: Sinnbild dessen ist die Tür zu Emerenc' Wohnung, zu der noch niemals jemand Zutritt hatte. Ausgerechnet in dem Moment, als die beiden Frauen einander zu vertrauen gelernt haben, kommt es zur Katastrophe.
István Szabó wurde 1938 in Budapest in eine jüdische Arztfamilie geboren. Dank der Hilfe von Freunden überlebte die Familie den Holocaust. In Szabós Filmen geht es immer wieder um den Spannungsbogen von Individuum und Gesellschaft, persönlicher Entfaltung und Korrumpierbarkeit durch Macht, beispielsweise in seinen großen Filmen wie "Mephisto" mit Klaus Maria Brandauer, für den Szabó 1981 den Oscar gewann, oder in "Turning Sides - Der Fall Furtwängler". Meistens drehten sich die Sujets um männliche Hauptfiguren. Bei "Hinter der Tür" ist das anders. Dabei ist der kammerspielartige Film beileibe kein Frauen-Film. Die Vorlage lieferte der vielfach preisgekrönte Roman "Hinter der Tür" der ungarischen Autorin Magda Szabó, wobei die Namensgleichheit von Schriftstellerin und Regisseur wirklich rein zufällig ist, und spielt im Ungarn der 1960er Jahre.
Menschen, die fegen, und Menschen, die fegen lassen
Deutsche Welle: Sie haben einen Roman verfilmt, in dem zwei Frauen die Hauptrollen spielen. Was hat Sie an dem Sujet gereizt?
István Szabó: Erstens: Ich habe die Geschichte nicht so gesehen, dass es um zwei Frauen geht, sondern um zwei Menschen, die Emotionen haben, die kämpfen, die versuchen, einander zu beeinflussen. Beide haben ihre Sicht auf die Welt und versuchen, die jeweils andere zu beeinflussen. Es geht um zwei Menschen, die sich am Anfang mit einem gewissen Verdacht begegnen und dann trotz der Schwierigkeiten eine Beziehung aufbauen, die am Ende eine tiefe Zuneigung zeigt.
Zweitens: Ich habe die Frage gesehen, und das ist eine ganz große moralische Frage: Wie begegnen wir jemandem, der ganz große Schwierigkeiten hat, uns aber nicht erlaubt zu helfen?
Es ist also eine Frage von Nähe und Grenzen?
Dürfen wir jemanden sich überlasen oder müssen wir helfen. Es geht also um zwei Menschen. Ich habe in mehreren meiner Filme Frauen als Hauptfiguren gezeigt. Es liegt wahrscheinlich an der Tatsache, dass mein Vater gestorben ist, als ich sechs Jahre alt war, und mein Großvater, als ich sieben war. Ich bin nur mit Frauen aufgewachsen, mich haben nur Frauen beeinflusst. Vielleicht interessiert mich deshalb die Geschichte so sehr.
Ist Emerenc für Sie so etwas wie eine Mutter-Figur?
Mehr als eine Mutter: Sie ist so wunderbar stark. Ein großes Beispiel dafür, wie man leben kann.
Hinter der Tür: intensivst gespieltes Arthouse
Was mich beeindruckt hat, ist Helen Mirrens Mienenspiel, das extrem zurückgenommen ist, aber alles sagt mit den Augen und dem bloßen Zucken der Mundwinkel. Wussten Sie sofort, dass es Helen Mirren als Besetzung für Emerenc sein muss?
Ja. Meine erste Idee war Helen Mirren. Ich muss mich glücklich schätzen, dass sie die Einladung angenommen hat
Und Martina Gedeck als Magda?
Ich finde, Martina Gedeck ist eine ganz großartige Schauspielerin. Sie ist ein Mensch, der diese intellektuelle Kraft, diese gelehrte Kraft auch zeigen kann.
Zur Figur der Magda: Sie sagten, es gehe in dem Film um Grenzen, die man nicht überschreiten kann und darf. Ist es so, dass Magda am Ende des Films keine richtige Lösung finden kann, weil es keine richtige Lösung gibt?
Ja, es gibt keine richtige Lösung. Und das ist es, was sie am Ende verstanden hat.
Ich hatte bislang Ihre Filme so verstanden, dass sie eine sehr viel deutlichere gesellschaftspolitische Dimension haben. In diesem Film tritt diese Ebene in den Hintergrund. Sehen Sie das auch so?
Ja, das ist so. Doch ich wollte treu sein zu der Romanvorlage von Magda Szabó.
Dennoch ist das Buch nicht unpolitisch?
Nein. Überhaupt nicht. Das Buch ist politisch, weil es etwas zeigt, was meiner Meinung nach sehr politisch ist. Wie ist es, wenn eine Ideologie uns sogar bis in das Privatleben beeinflussen möchte? Daher ist es meiner Meinung sehr mutig gewesen, was Magda Szabó geschrieben hat. Es ist aber nicht ein solche riesige politische Dimension.
… wie beispielsweise die NS-Zeit oder die Ära des Stalinismus?
Nein, nein. Die Geschichte spielt in der sogenannten Zeit des Gulasch-Kommunismus.
Als Ungarn als "fröhlichste Baracke des Sozialismus" galt…
Ja, ganz genau.
Wie würden sie das politische Klima im Ungarn der 60er Jahre beschreiben?
Es gab Mitte der 1960er Jahre eine gewisse Liberalisierung. Doch nach dem Ende des Prager Frühlings wurde es wieder schwieriger, weil der liberale Weg versperrt wurde.
Magda auf dem Weg zur gefeierten Schriftstellerin
Wie wird der Film in Ungarn aufgenommen?
Der Film läuft seit drei Wochen. Ich darf mich glücklich schätzen: Der Film läuft wahnsinnig gut, sogar besser als zwei amerikanische Filme, die zur selben Zeit starteten und ziemlich viele Oscars bekommen haben. Natürlich gehört zu diesem Erfolg in Ungarn Magda Szabós Name. Sie ist sehr beliebt und hat viele treue Leser, die wissen wollen, wie der Roman auf der großen Leiwnand aussieht.
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