Mittwoch, 11. April 2012

Spannung vor dem Raketenstart


Nordkorea bereitet einen Raketenstart vor und schürt damit die Spannung in Ostasien. Für Pjöngjang ist das ein legitimer Satellitenstart. Der Rest der Welt sieht darin den illegalen Test einer Interkontinentalrakete.
30 Meter hoch ragt die 90 Tonnen schwere Rakete Unha-3 in den blauen nordkoreanischen Himmel, knapp 60 Kilometer südlich der chinesischen Grenze auf der neuen Raketenbasis Tongchang-ri. Am Ostersonntag (10.4.) konnten rund 50 ausländische Journalisten die Rakete in Augenschein nehmen – inklusive eines Wettersatelliten namens "Leuchtender Stern".
Neuer Führer – alte Spielchen mit Provokatione. (Foto:David Guttenfelder/AP/dapd)
Neuer Führer – alte Spielchen mit Provokationen
Der Journalistentrip zum allerheiligsten des nordkoreanischen Raketenprogramms war Teil der Propaganda-Offensive, mit der Pjöngjang seine vermeintlich friedlichen Absichten mit dem Raketenstart demonstrieren will. Die Welt indes bleibt skeptisch. Der Verdacht: Unter dem Vorwand eines Satellitenstarts wolle Pjöngjang eine ballistische interkontinentale Rakete testen. Der Weltsicherheitsrat hatte im Juni 2009 mit der Resolution 1874 aber genau solche Tests verboten – als Teil der Antwort auf den Atomwaffentest Nordkoreas vom Mai 2009. Das Problem: Zivile und militärische Raketentechnologie lassen sich nicht trennen, betont Nordkorea-Experte Rüdiger Frank im Gespräch mit DW.DE: "Wie wir auch von anderen Staaten einschließlich USA und seinerzeit Sowjetunion wissen, haben alle Weltraumprogramme immer und zu jeder Zeit - ich sage es mal vorsichtig - auch militärischen Zwecken gedient, wenn sie nicht sogar primär militärisch orientiert waren."
Abwehrsysteme in Stellung
Washington hat in scharfen Tönen protestiert. Selbst China hat Bedenken geäußert. Japan und Südkorea haben in den letzten Tagen sogar ihre Raketenabwehrsysteme in Stellung gebracht. Damit wollen sie eventuell herabfallende Raketentrümmer abschießen – oder auch die Rakete selbst, sollte die von ihrem Kurs abkommen und Japan oder Südkorea überfliegen. Nordkorea hat für diesen Fall angekündigt, den Abschuss der Rakete als kriegerischen Akt zu werten und – so wörtlich - "resolut und erbarmungslos" zurückzuschlagen.
Raketenbasis im Hungerland. (Foto: AP Photo/GeoEye)  MANDATORY CREDIT
Raketenbasis im Hungerland
Die Unha-3 soll zwischen dem 12. und 16. April abheben. Das Datum ist kein Zufall. Schließlich ist der 15. April der 100. Geburtstag des Staatsgründers Kim Il-Song. Der werde seit Jahren als das wichtigste nationale Großereignis in Nordkorea angekündigt, betont Rüdiger Frank. "Und da muss man natürlich etwas Großartiges, Sichtbares tun. "Da passe so ein Raketenstart gut, so der Koreaexperte der Universität Wien.
Politik der Unberechenbarkeit
Der Raketenstart passt aber auch in das bisherige Verhaltensmuster Pjöngjangs, stets für ein Mindestmaß an Spannungen mit der Außenwelt zu sorgen. Norbert Eschborn leitet das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul. Im Interview mit DW.DE sieht Eschborn als Schlüsselelement in der Politik Nordkoreas gegenüber dem Westen die Unberechenbarkeit. "Nordkorea hat zahlreiche Probleme, vor allem in der Versorgung der Bevölkerung. Und man ist darauf angewiesen, dass das Schicksal des Landes nicht vergessen wird. Und darum nutzt man ungewöhnliche und vom Rest der Welt nicht sonderlich geschätzte Instrumente und Methoden, um diese Aufmerksamkeit zu erlangen", so Eschborn.
Immerhin schafft es das wirtschaftliche desolate Land mit dieser Methode nicht nur in die Schlagzeilen der Weltpresse, sondern auch auf die Tagesordnung hochrangiger internationaler Begegnungen. Nur rund 24 Millionen Einwohner hat Nordkorea. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen haben rund sechs Millionen von ihnen nicht genug zu essen. Jeder Vierte kann sich nicht ausreichend ernähren.
Jeder vierte Nordkoreaner hat nicht genug zu essen.  (Foto: AP Photo/WFP, Gerald Bourke)
Jeder vierte Nordkoreaner hat nicht genug zu essen
Lebensmittelhilfe gefährdet
Die Versorgung der Bevölkerung wird aber mit dem Raketenstart weiter erschwert. Denn er gefährdet die Umsetzung einer erst Ende Februar mit den USA geschlossenen Vereinbarung. Darin verpflichtet sich Nordkorea, die Urananreicherung einzustellen, Inspektoren der Internationalen Atomenergie Agentur IAEO wieder in Land zu lassen, und Raketentests auszusetzen. Die USA wiederum sagten die Lieferung von 240.000 Tonnen Lebensmitteln zu. Angesichts vergangener Erfahrungen mit Pjöngjang äußerte sich US-Außenministerin Hillary Clinton am 1. März nur vorsichtig optimistisch über ein Abkommen, das sonst als Durchbruch gefeiert worden wäre.
Inzwischen hat der geplante Raketentest die Beziehungen zwischen Washington und Pjöngjang wieder erkalten lassen. Anfang April kam es in Berlin bei informellen Verhandlungen zwischen ranghoch besetzten Delegationen aus Nordkorea und den Vereinigten Staaten zu einem Eklat. Die nordkoreanische Seite brach die Gespräche vorzeitig ab - nach amerikanischer Kritik an dem Raketenstart.
Prestigefrage
Daniel Pinkston ist Experte der International Crisis Group für Korea. Für Pinkston verfolgt Nordkorea mit dem Start gleich mehrere Ziele. Dazu gehöre auch die Werbung für den Export nordkoreanischer Technologie und Systeme. Außerdem wolle sich Nordkorea damit als starkes Land darstellen, mit dem man auf Augenhöhe verhandeln müsse, so Pinkston gegenüber DW.DE.
Vor allem aber will der neue Diktator Kim Jong-Un sich am Geburtstag seines Großvaters als starker Mann präsentieren. Nach den vollmundigen Ankündigungen wird er den Start ohne massiven Gesichtsverlust kaum mehr abblasen können, weil seine Position noch längst nicht stabil ist.
Mittlerweile hat Nordkorea die Eskalationsschraube um eine weitere Drehung angezogen: Das Land drohte mit einem weiteren Atomwaffentest, sollte Nordkorea wegen des Raketenstarts mit Sanktionen belegt werden.

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